Weniger offensichtlich - Techniken das Zeugnis zu gestalten


Da sich allgemeine Formulierungen auch im Bewusstsein vieler Arbeitnehmer verankert haben, greifen Arbeitgeber häufig auf allgemeine Techniken in der Zeugnisgestaltung zurück.

Durch einen geschickten Einsatz der folgenden Techniken wird erreicht, dass der Arbeitnehmer ein Zeugnis erhält, in dem ihm scheinbar eine sehr gute Leistung und ein vorbildliches Sozialverhalten attestiert werden. Durch den Aufbau des Zeugnisses, Satzstellungen und Wortwahl wird dem geschulten Auge allerdings ein völlig anderes Bild von den Leistungen und dem Sozialverhalten des Arbeitnehmers vermittelt.


Dadurch kann z.B. selbst der Satz:

Er hat die Aufgaben zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt= Note 1

in das genaue Gegenteil einer Spitzenleistung verkehrt werden.


Nachfolgend die gängigsten Techniken:


a)Positiv-Skala-Technik:

Es gibt keine ausdrücklich negativen oder abwertenden Aussagen. Das gesamte Notenspektrum ist nur mit positiven Aussagen besetzt. Spitzenleistungen sind z.B. ein Vielfaches, gesteigertes “gut“, ungenügende Leistungen sind nur “gut“.

Die Leistungsbeurteilung von “stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ bis zu “im Allgemeinen zu unserer Zufriedenheit“ ist ein Beispiel für die Positiv-Skala-Technik.


b)Reihenfolgetechnik / Aufbautechnik

Im Arbeitszeugnis gilt die Reihenfolge: Wichtiges zuerst, Unwichtiges an den Schluss. Abweichungen von dieser Reihenfolge haben einen eigenen Aussagegehalt, unabhängig davon, was im Text selbst geschrieben steht.

Bei dieser Technik leitet das Arbeitszeugnis z.B. die Tätigkeitsbeschreibung mit Nebensächlichkeiten ein, denen dann erst die Haupttätigkeiten folgen. Sowohl Nebensächlichkeiten als auch Haupttätigkeiten werden vom Wortlaut her sehr positiv dargestellt. Die ungewöhnliche Reihenfolge lässt den geschulten Leser allerdings stutzen. Den Aufbau kann man als Warnung vor dem Arbeitnehmer interpretieren, der in den wichtigen und wesentlichen Bereichen keine gute Leistung zeigte.


c) Leerstellentechnik – “beredtes Schweigen“

Die vielleicht bekannteste Technik bei der Formulierung von Arbeitszeugnissen. Mancher Arbeitgeber zieht es vor lieber gar nichts zu sagen, bevor er etwas Schlechtes über den Arbeitnehmer sagt. Erwartet der zukünftige Arbeitgeber bestimmte Angaben in dem Arbeitszeugnis, die er aber nicht vorfindet, schließt er meist darauf, dass es hierzu einfach nichts Gutes zu berichten gab.

Das Schweigen zu bestimmten Punkten gilt dann als versteckte Kritik. Arbeitnehmer können vom Arbeitgeber daher verlangen sich zu Punkten zu äußern, die allgemein erwartet werden.


d) Widerspruchstechnik

Das Arbeitszeugnis enthält viel Kritik und die Erwähnung nur durchschnittlicher Einzelleistungen endet aber mit einer sehr guten Gesamtnote. Oder die Widersprüche sind subtiler und feiner gestreut. Innerhalb eines Absatzes findet ein plötzlicher Stilbruch statt. Ein und dieselbe Leistung wird einmal positiv hervorgehoben, an einer anderen Stelle wird dieselbe Leistung plötzlich nochmals aber negativ erwähnt.

Widersprüche im Arbeitszeugnis sind in jedem Fall ein Warnsignal. Entweder war der Arbeitgeber nicht in der Lage ein ordentliches Arbeitszeugnis auszustellen, oder er will bewusst das Misstrauen zukünftiger Personalchefs wecken.

Ist der Personalchef wirklich interessiert, wird er den alten Arbeitgeber bei solchen Widersprüchen in der Regel anrufen. Am Telefon erzählt der Arbeitgeber dem Personalchef dann Dinge, die im Arbeitszeugnis überhaupt nicht erwähnt wurden. Weil der Arbeitnehmer von diesen Telefonaten nichts weiß, kann er sich auch nicht gegen die Behauptungen wehren und sie richtigstellen. Er wundert sich nur, dass er trotz scheinbar guter Zeugnisse nie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird.

Arbeitnehmer sollten daher nicht nur dann misstrauisch werden, wenn das Zeugnis ungewöhnlich aufgebaut ist, sondern auch dann, wenn Endnote und Zeugnistext irgendwie nicht so recht zusammenpassen wollen.


e) Technik der Verknappung oder der Aufblähung des Arbeitszeugnisses

Ist das Zeugnis zu knapp, wird der Personalchef eher auf beredtes Schweigen schließen. Ist es zu ausführlich, wird er ebenfalls misstrauisch werden. Im schlimmsten Fall hat der Arbeitnehmer sein Zeugnis selbst geschrieben und es deswegen zu ausführlich gestaltet. Ein geschulter Personalchef erkennt Abweichungen von der üblichen Länge bei Arbeitszeugnissen und wertet sie als Zeichen dafür, dass bei dem Arbeitnehmer etwas im Argen liegt.


f) Einschränkungstechnik

Bei der Einschränkungstechnik wird das Lob auf vereinzelte Leistungen beschränkt. Der Leser des Zeugnisses soll daraus schließen, dass die anderen, ebenfalls erwähnten Leistungen des Arbeitnehmers alles andere als lobenswert waren.


g) Andeutungstechnik

Eigentlich keine Technik, sondern eine Frage der Wortwahl und des Stils. Hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Beschreibt der Arbeitgeber die Erfolge des Arbeitnehmers oder nur seine Bemühungen? Beschreibt der Arbeitgeber nur das Interesse des Arbeitnehmers oder erwähnt er auch die Taten und Ergebnisse, die diesem Interesse folgten? Auch wenn es wie Erbsenzählerei erscheint, hinter solchen Feinheiten steckt für den geschulten Leser oftmals die eigentliche Kritik am Arbeitnehmer.

Demjenigen, der sich nur auf Standardklauseln und vorgefertigte Formulierungen verlässt entgehen so oftmals die eigentlichen Nuancen des Textes und damit der vom Arbeitgeber beabsichtigte Aussagegehalt.


Arbeitnehmer tun bei berechtigten Zweifeln oder unerklärlichen Bewerbungsmisserfolgen gut daran ihr Arbeitszeugnis sehr gründlich zu studieren.


Klauseln und Formulierungen                    Geheimcodes und Geheimzeichen




Rechtsanwalt Andreas Alexa



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