Gibt es die Zeugnissprache überhaupt?
Damit die Formulierung eines Arbeitszeugnisses nicht zu aufwendig wird und am Ende in einer Katastrophe endet, hat die Praxis früh damit begonnen bei Arbeitszeugnissen vorgefertigte Textbausteine und Standardformulierungen zu verwenden.
Die Idee dahinter ist die Folgende: Bestimmte Formulierungen werden so oft verwendet, bis sie sich eingebürgert haben. Die Personalstellen der Betriebe ziehen bei etablierten Formulierungen die richtigen Schlüsse und können den Arbeitnehmer realistisch einschätzen.
Aber genau hier liegt das Problem: Gibt es Formulierungen, die so etabliert sind, dass jeder Personalverantwortliche sie zweifelsfrei versteht? Wenn ja welche? Vor allem: welche nicht? Kann der Arbeitgeber sich auf ein Standard-Regelwerk verlassen oder geht er mit seinen Formulierungen das Risiko ein nicht verstanden zu werden? Geht er vielleicht sogar ein noch größeres Risiko ein, weil seine Formulierungen so missverständlich sind, dass sie dem Arbeitnehmer erheblichen Schaden zufügen werden?
Auf diese Fragen gibt es leider keine eindeutige Antwort. Es gibt ganz sicher kein Standard-Regelwerk, das für die Praxis verbindlich ist. Bestimmte Formulierungen tauchen vor allem in der Fachliteratur so häufig auf, dass bei ihrer Verwendung das Risiko missverstanden zu werden eher gering ist. Vorausgesetzt, der zukünftige Arbeitgeber benutzt dieselbe Fachliteratur. Nur in diesem Sinne kann man von der Existenz einer Zeugnissprache sprechen.
Denn Sprache ist im steten Fluss. Die Bedeutungen der Formulierungen ändern sich mit der Zeit. Außerdem ist die Gruppe der Arbeitgeber nicht einheitlich. Vom Großkonzern der alles richtig machen möchte bis zu dem kleinen Betrieb in dem der Chef die Zeugnisse noch persönlich schreibt: Sie alle tragen dazu bei die Zeugnissprache zu etablieren.
Das Wichtigste für Arbeitgeber, Personalverantwortliche aber auch Arbeitnehmer: Eine sorgfältige und umsichtige Formulierungsweise kann durch Standardformulierungen allein nicht garantiert werden.
Die ausdrücklichen Klauseln und Formulierungen im Arbeitszeugnis sollten daher nicht überbewertet werden.