BGH, Urt. v. 14.07.2010 – VIII ZR 45/09


Der Mieter einer Wohnung war für mehrere Monate nicht auffindbar. Die Vermieterin kündigte nach zwei Monaten Mietrückstand die Wohnung, öffnete sie und entsorgte die Gegenstände, die sich darin befanden, und verwahrte die Gegenstände. Sie hatte zuvor keine Räumungsklage erhoben und entsprechend auch keinen gerichtlichen Titel, der sie befugt hätte, die Wohnung an sich zu nehmen. Die Vermieterin hat auf eigene Faust gehandelt. Nachdem der Mieter zurückgekehrt war, verklagte er die Vermieterin auf Schadenersatz in Höhe von 60.000 €. Seiner Ansicht nach war die Räumung der Wohnung ohne vorherige Räumungsklage illegal gewesen.

Das Gericht gab dem Mieter grundsätzlich recht und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück um den tatsächlich entstandenen Schaden zu ermitteln.

Das eigenmächtige Handeln der Vermieterin stellt nach der Auffassung des Gerichts eine verbotene Selbsthilfe dar. Diese verbotene Selbsthilfe verpflichtet die Vermieterin nach § 231 BGB dazu, verschuldensunabhängig den entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Mieter konnte im vorliegenden Fall den Schaden von 60.000 € auch deshalb nicht beweisen, weil die Vermieterin die Wohnungsgegenstände zwar eingelagert hat, jedoch kein genaues Verzeichnis über die Gegenstände führte. Der Mieter hatte Schwierigkeiten Alter und Wert der einzelnen Gegenstände zu beweisen. Das Gericht entschied, dass die Vermieterin bezüglich der Einlagerung der Gegenstände eine nachvertragliche Obhutspflicht nach § 241 Abs.2 BGB traf. Im Rahmen des Schadenersatzes muss sie den Beweis führen, dass sie dieser Obhutspflicht genügt hat.

Das heißt: Im vorliegenden Fall hätte nicht der Mieter seinen Schaden uneingeschränkt beweisen müssen, sondern die Vermieterin muss beweisen dass kein, oder ein geringerer Schaden als die 60.000 € eingetreten ist. Damit muss das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs von der Darlegungs- und Beweislast den eingetretenen Schaden erneut nach § 287 ZPO schätzen.


Anmerkung:

Dieser Fall einer sog. “Kalten Räumung“ zeigt die Grenzen der Selbsthilfe im Mietrecht. Im § 229 BGB ist ausdrücklich geregelt, dass Selbsthilfe nur zulässig ist, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist. In diesem Fall hätte die Vermieterin obrigkeitliche Hilfe in der Form einer Räumungsklage mit anschließendem Räumungsurteil erlangen können, bevor sie die Wohnung räumt. Damit war ihre Selbsthilfe widerrechtlich im Sinne des § 229 BGB. Die Folge ist eine sog. verschuldensunabhängige Haftung nach § 231 BGB. Verschuldensunabhängig bedeutet auch, dass es irrelevant ist, ob die Vermieterin sich geirrt hat und selbst glaubte so handeln zu dürfen.

Was die Vermieterin bei der Räumung dachte, was sie annahm ist ohne Bedeutung, weil sie für jegliche aus der verbotenen Selbsthilfe resultierenden Schäden nach § 231 BGB einzustehen hat. Der Grundgedanke dahinter ist, dass Bürger das “Recht nur dann in die eigene Hand nehmen“ dürfen, wenn der Rechtsstaat Ihnen nicht rechtzeitig dazu verhelfen kann und im konkreten Fall Eile geboten ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, macht sich der Handelnde in erheblichem Maße haftbar und zwar auch dann, wenn er sich bezüglich der Selbsthilfe geirrt hat.

Die Voraussetzungen der Selbsthilfe sind sehr streng. Vermieter dürfen vermietete Wohnungen nicht eigenmächtig in Besitz nehmen. Das Besitzrecht des Mieters an der Wohnung wird auch dann verletzt, wenn der Vermieter die Wohnung ohne Wissen und Zustimmung des Mieters betritt.


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Rechtsanwalt Andreas Alexa



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