OVG NRW Beschl. v. 30.11.11 – 13 B 1331/11
Die Antragstellerin wirbt im Internet unter anderem auf der Domain (www)bet-at-home.com für öffentliche Glücksspiele. Antragsgegnerin ist eine Bezirksregierung, die es der Antragstellerin untersagt hat, für Glücksspiele im Internet zu werben und ihre Ordnungsverfügung hierbei auf § 5 Abs.3 und 4 GlüStV (Glücksspielstaatsvertrag) stützt.
Die Ordnungsverfügung der Bezirksregierung war bei ihrem Erlass sofort vollziehbar. Die Antragstellerin hat gegen die Ordnungsverfügung unter dem Az. 27 K 5152/10 vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage nach § 80 Abs. 5 S.1 1.Alt VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) beantragt. Da das Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin abgelehnt hat, musste das Oberverwaltungsgericht NRW über die Beschwerde der Antragstellerin entscheiden.
Verfügungen von Behörden können grundsätzlich nicht vollstreckt werden, solange der Bürger gegen die Verfügung Klage erhoben hat. Der Gesetzgeber wollte mit diesem Grundgedanken auch verhindern, dass Behörden vor dem Ablauf des Gerichtsverfahrens vollendete Tatsachen schaffen, die in manchen Fällen das Gerichtsverfahren sinnlos werden lassen. Zudem sollten die Bürger vor Ablauf des Gerichtsverfahrens nicht mit den Folgen einer Verfügung belastet werden, die möglicherweise rechtswidrig ist.
Von diesem Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen, die vor allem dann greifen wenn Eile geboten ist oder wenn ein besonderes Interesse der Allgemeinheit besteht, dass der jeweilige Bürger der Verfügung sofort folgt. § 80 Abs.2 VwGO bestimmt die Fälle, in denen eine behördliche Verfügung selbst dann vollstreckt werden kann, wenn der Bürger gegen diese Verfügung Klage erhoben hat.
Will man die sofortige Vollstreckung derartiger Verfügungen verhindern, muss man nach § 80 Abs.5 VwGO (je nach Verfügung auch: § 80a VwGO) in einem vorläufigen Verfahren bei Gericht beantragen, dass die sofortige Vollstreckung der Verfügung solange ausgesetzt wird, bis das Gericht abschließend über die Klage gegen die Verfügung entschieden hat.
Bei § 80 Abs.5 VwGO prüft das Gericht in einem separaten, vorläufigen Verfahren grob die Erfolgsaussichten der Klage und ordnet anhand des Ergebnisses der Prüfung die Aussetzung der Vollstreckbarkeit (richtig: die aufschiebende Wirkung der Klage) an. Verfügungen, die nach einer groben Prüfung rechtswidrig erscheinen, sollen nicht die Grundlage dafür sein, dass die Behörde während des Gerichtsverfahrens vollendete Tatsachen schafft.
Im vorliegenden Fall kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Ordnungsverfügung der Bezirksregierung möglicherweise deswegen rechtswidrig ist, weil sie auf einer Vorschrift beruht die gegen europäisches Recht verstößt. Die Absätze 3 und 4 des § 5 GlüStV verstoßen nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts möglicherweise gegen die unionsrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit.
Der Verstoß liegt hierbei in der praktischen Anwendung des § 5 GlüStV durch die zuständigen Aufsichtsbehörden in NRW. Diese untersagen nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts einseitig nur nichtstaatlichen Lotteriebetreibern die öffentliche Werbung für Glücksspiele, während staatlichen Lotteriebetreibern in NRW in der Praxis die Werbung für ihr Glücksspiel im Internet nicht untersagt wird.
Damit scheitert die unionsrechtlich grundsätzlich zulässige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit im vorliegenden Fall daran, dass nach Ansicht des Gerichts der Staat mit den auf § 5 GlüStV erlassenen Ordnungsverfügungen nicht die generelle Eindämmung von Glücksspiel als Ziel verfolgt, sondern sich vielmehr von finanziellen Aspekten leiten lässt und damit sein Gemeinwohlziel nicht in kohärenter Weise verfolgt.
Anmerkung:
Der Beschluss lässt lediglich eine vorläufige rechtliche Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts in NRW zum Thema Werbung für Glücksspiele im Internet erkennen. Ob diese erste Einschätzung sich letztlich auch in dem unter dem Az. 27 K 5152/10 vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf geführten Verfahren durchsetzen lässt, bleibt abzuwarten. Möglicherweise bedarf die Problematik einer höchstrichterlichen Klärung.
Allerdings kann die Argumentation herangezogen werden, um in anderen, aktuellen Fällen gegen die sofortige Vollstreckbarkeit entsprechender Untersagungen vorzugehen.