Geheimcodes und Geheimzeichen
Kaum etwas erregt mehr Aufmerksamkeit als die Behauptung etwas sei geheim, oder es handele sich um geheimes Insiderwissen. Vielleicht weil Geheimnisse privilegieren.
In einigen Ratgebern, Leitfäden oder Seminaren wird mit angeblichem Wissen um die Geheimcodes und Geheimzeichen der Zeugnissprache geworben. Die Behauptung von Geheimnissen und vertraulichen Codes macht viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber sehr neugierig. Sie kaufen den Ratgeber oder buchen das Seminar, um mehr zu erfahren.
Ohne die folgende Klarstellung sind solche Behauptungen allerdings schlichtweg unseriös:
Nach § 109 Abs.2 GewO sind jegliche Geheimzeichen in einem Arbeitszeugnis verboten. Wer Geheimzeichen verwendet produziert ein rechtswidriges Arbeitszeugnis mit allen sich hieraus ergebenden Folgen (z.B. Schadenersatzansprüche bei Bewerbungsmisserfolgen). Wer Geheimzeichen in einem Zeugnis bewusst einsetzt, der beweist kein Insiderwissen, sondern lediglich fehlendes Rechtsverständnis und zweifelhaftes Halbwissen.
Selbst wer sich von gesetzlichen Verboten grundsätzlich nicht abhalten lässt, stellt bei der Verwendung von Geheimzeichen eher sich selbst als dem Arbeitnehmer ein schlechtes Zeugnis aus.
Denn: Geheimzeichen machen nur Sinn, wenn ihre wahre Bedeutung dem zukünftigen Arbeitgeber auch bekannt ist. Gleichzeitig müssen die Geheimzeichen den Arbeitnehmern aber unbekannt sein und auch unbekannt bleiben. Wie sollen alle Arbeitgeber Deutschlands, vom größten Konzern bis zum kleinsten Arbeitgeber diese Geheimzeichen so weitergeben, dass nur die Arbeitgeber die wahre Bedeutung verstehen ohne sie jemals, auch unabsichtlich, den Arbeitnehmern zu verraten?
Aus diesem Grund beweist die Verwendung von Geheimzeichen und Codes in einem Arbeitszeugnis lediglich, dass der das Zeugnis ausstellende Arbeitgeber oder Personalverantwortliche nicht wirklich zu Ende gedacht hat oder schlicht einen Bären aufgebunden bekam.
Allen Argumenten und Verboten zum Trotz: Der Glaube an und sogar die Benutzung von vermeintlichen Geheimcodes stirbt einfach nicht aus. Viele dieser “geheimen“ Formulierungen landen früher oder später vor Gericht und in der Fachliteratur. Im Folgenden eine Liste von codierten Aussagen und deren beabsichtigter Bedeutung. Diese sollten sich in einem Arbeitszeugnis nicht wiederfinden.
Er / Sie bewies für die Belange der Mitarbeiter Einfühlungsvermögen = suchte während der Arbeitszeit nach sexuellen Kontakten zu Mitarbeitern
Er/ Sie trat sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens für die Interessen der Arbeitnehmer ein = gewerkschaftliche Tätigkeit
Er / Sie trat engagiert für die Interessen der Kollegen ein = Tätigkeit als Betriebsrat / Betriebsrätin
Er / Sie hat zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen = Problematischer Alkoholkonsum während der Arbeitszeit
Er / Sie bewies für die Belange der Belegschaft immer umfassendes Verständnis = Homosexualität / suchte nach homosexuellen Kontakten zu Mitarbeitern
Er / Sie trug durch Geselligkeit zur Verbesserung des Betriebsklimas bei = übermäßiger Alkoholkonsum
Er / Sie hat Engagement für Arbeitnehmerinteressen außerhalb des Betriebs gezeigt = Teilnahme an Streiks
Senkrechter Strich links der Unterschrift = Gewerkschafter
Rechtschreibfehler, Flecken, zufällige Ausrutscher, Unterstreichungen, Kursiv- oder Fettdruck, Anführungsstriche = unter anderem auch: Hervorhebung oder Verkehrung ins Gegenteil
Und aus der Mottenkiste:
Er war ehrlich bis auf die Knochen = Metzger, der von seinem Arbeitgeber Knochen gestohlen hatte
Zeugnistechniken Warnsignale und Alarmzeichen