Wie setze ich meinen Überstundenlohn durch?
Zunächst ist der Arbeitgeber in einem einfachen Schreiben aufzufordern, den ausstehenden Lohn bis zum Ablauf einer Frist von zwei bis drei Wochen zu vergüten. Reagiert der Arbeitgeber innerhalb der Frist nicht, oder lehnt er die Vergütung der Überstunden ab, so bleibt nur noch der Gang vor das Gericht.
Die Überstundenvergütung wird vor dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht durch eine Lohnklage durchgesetzt. Der Arbeitnehmer verklagt den Arbeitgeber auf ausstehenden Lohn. Der Arbeitnehmer kann eine Lohnklage durch einen Rechtsanwalt einreichen, er kann einen arbeitsgerichtlichen Mahnbescheid beantragen oder auf der Antragstelle bei dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht eine Lohnklage formulieren lassen.
In der Lohnklage muss die Höhe der Überstundenvergütung genau beziffert werden. Ebenso muss angegeben werden, wann der Arbeitnehmer durch welche Arbeiten Überstunden geleistet hat. Das heißt, der Arbeitnehmer muss mindestens eine Kopie seines Arbeitsvertrages beifügen, aus der sich die normale Arbeitszeit ergibt. Sodann muss er vortragen, welche Stunden an welchen Tagen über die normale Arbeitszeit hinausgingen. Schließlich muss der Arbeitnehmer vortragen, warum er diese Überstunden geleistet hat. Hat der Arbeitgeber sie ausdrücklich angeordnet? Wenn ja – wann und in welcher Form? Hat der Arbeitgeber die Überstunden zwar nicht angeordnet, aber dem Arbeitnehmer soviel Arbeit angeordnet, dass der Arbeitnehmer die Arbeit unmöglich innerhalb der normalen Arbeitszeit schaffen konnte? Wenn ja – was ist die übliche Arbeitsmenge und inwiefern weicht die angeordnete Arbeitsmenge von der üblichen Arbeitsmenge ab?
Viele Lohnklagen vor Gericht scheitern daran, dass die Arbeitnehmer die Überstunden, ihre Anordnung oder ihre Notwendigkeit nicht beweisen können. Was eines der Grundprobleme von Überstundenklagen ist: Das wichtigste an einer Überstundenlohnklage ist die Vorbereitung der Klage. Der Arbeitnehmer sollte rechtzeitig damit beginnen ein Tagebuch zu führen, in welchem er für jeden einzelnen Arbeitstag die Anzahl der Überstunden, den Zeitpunkt der Überstunden und den Grund für die Überstunden verzeichnet. Als Grund kann er z.B. angeben, dass der Arbeitgeber die Überstunden ausdrücklich angeordnet hat. Alternativ kann er auch angeben, dass der Arbeitgeber die Überstunden zwar nicht ausdrücklich angeordnet hat, aber er sie zur Kenntnis genommen hat und gegen die Leistung der Überstunden nicht protestierte.
Denn in der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind vier Konstellationen anerkannt, in welchen der Arbeitgeber eine Vergütung für Überstunden schuldet: Wenn der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet hat oder wenn die Überstunden jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind (BAG v. 10.04.13 – 5 AZR 122/12).
Zitat: (BAG v. 10.04.13 – 5 AZR 122/12)
Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien einen bestimmten zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütungspflicht für Überstunden auf arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB beruht.
Für diese arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als - neben der Überstundenleistung - weitere Voraussetzung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung formuliert, Überstunden müssten vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein (BAG 15. Juni 1961 - 2 AZR 436/60 - zu II der Gründe; 17. April 2002 - 5 AZR 644/00 - zu II 3 der Gründe; 29. Mai 2002 - 5 AZR 370/01 - zu V 1 der Gründe; 28. Januar 2004 - 5 AZR 530/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 109, 254; 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe). Daran hat der Senat stets und auch in seinem die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden betreffenden Urteil vom 16. Mai 2012 (- 5 AZR 347/11 - , vgl. dort Rn. 31) festgehalten.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, trägt der Arbeitnehmer als derjenige, der den Anspruch erhebt (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 15 mwN). Dabei gelten folgende Grundsätze:
Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat...
Konkludent ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers (zu diesem Maßstab siehe BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 24 mwN) nur durch die Leistung von Überstunden zu bewältigen ist. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten (vgl. als Beispiel BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31) oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte (vgl. als Beispiel BAG 28. November 1973 - 4 AZR 62/73 - BAGE 25, 419). Dabei begründet allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb oder an einem Arbeitsort außerhalb des Betriebs keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (aA LAG Berlin-Brandenburg 23. Dezember 2011 - 6 Sa 1941/11 -; 10. September 2012 - 15 Ta 1766/12 -).
Ist wie im Streitfall eine Monatsarbeitszeit vereinbart, muss der Arbeitnehmer zudem darlegen, dass einzelne, zur Erledigung der zugewiesenen Arbeiten geleisteten Überstunden nicht innerhalb einer flexibel gehandhabten Monatsarbeitszeit ausgeglichen werden konnten...
Mit der Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber gleichsam durch eine nachträgliche Genehmigung die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Die Billigung von Überstunden setzt deshalb voraus, dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, mit der schon erfolgten Leistung bestimmter Überstunden einverstanden zu sein. Das muss nicht ausdrücklich erfolgen und kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber oder ein für ihn handelnder Vorgesetzter des Arbeitnehmers eine bestimmte Anzahl von Stunden abzeichnet und damit sein Einverständnis mit einer Überstundenleistung ausdrückt. Dazu reicht aber die widerspruchslose Entgegennahme der vom Arbeitnehmer gefertigten Arbeitszeitaufzeichnungen nicht aus (BAG 3. November 2004 - 5 AZR 648/03 - zu III 2 der Gründe; 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 c der Gründe). Vielmehr muss der Arbeitnehmer darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben habe, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein.
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Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden fürderhin zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt (BAG 6. Mai 1981 - 5 AZR 73/79 - zu II 2 der Gründe; vgl. auch - zu § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG - BAG 27. November 1990 - 1 ABR 77/89 -; 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - BAGE 122, 127). Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat.
Zitatende
Falls es im Betrieb öfters zu Problemen mit der Anordnung von Überstunden kommt, können die Arbeitnehmer sich Gedanken darüber machen, ob sie nicht einen Betriebsrat wählen möchten, was möglich ist, sofern in dem Betrieb mindestens 5 Arbeitnehmer angestellt sind. Ist ein Betriebsrat gewählt worden, darf der Arbeitgeber in der Zukunft nach § 87 I 1 Nr.2 BetrVG Überstunden nur noch anordnen, bzw. billigen oder dulden, wenn er sie dem Betriebsrat vorher angezeigt hat und sich mit ihm bezüglich der Überstunden geeinigt hat. Gibt es in dem Betrieb einen Betriebsrat, der darauf achtet, dass der Arbeitgeber sich an den § 87 I 1 Nr.2 BetrVG hält, dann bedeutet dies für die Arbeitnehmer unter anderem auch eine enorme Beweiserleichterung, wenn sie ausstehende Überstundenvergütung einklagen möchten. Denn bei dem Betriebsrat werden die Anfragen des Arbeitgebers zur Anordnung von Überstunden in der Regel dokumentiert, in vielen Fällen auch durch Betriebsvereinbarungen die ein System von Arbeitszeitkonten einführen.
Muss der Arbeitgeber die Überstunden bezahlen? Wie schütze ich mich vor Überlastung?