Sächsisches LAG Beschl. v. 20.10.2011, Az.: 4 Ta 178/11 (7)
Dem Beschluss liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer war vom 08.09.2010 bis zum 20.03.2011 als Anlagen- und Maschinenbauer zu einem Entgelt von 8,47 €/h brutto beschäftigt. Diesem Lohn des Beschwerdeführers liegen Tarifvereinbarungen zugrunde an denen die Christliche Gewerkschaft für Zeit- und Personaldienstleister CGZP mitgewirkt hat.
Diese Gewerkschaft wurde durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 für tarifunfähig erklärt. Der Beschwerdeführer möchte nun den ausstehenden Lohn einklagen.
Klagen, die vor dem Hintergrund der Tarifunfähigkeit der CGZP und der daraus resultierenden Rechte der betroffenen Arbeitnehmer geführt werden, werden landläufig auch als equal-pay Klagen (equal pay (engl.) = gleicher Lohn) bezeichnet.
Der Beschwerdeführer begehrte vor der Klageerhebung Prozesskostenhilfe, da er aus eigener Kraft die Gerichts- und Anwaltskosten nicht bezahlen konnte. Bei einem Antrag auf Prozesskostenhilfe prüft das Gericht sowohl die Bedürftigkeit des Antragstellers als auch die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage nach § 114 ZPO. Ist der Antragsteller bedürftig und besteht hinreichende Erfolgsaussicht nach § 114 ZPO wird Prozesskostenhilfe gewährt.
In dem vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer die Prozesskostenhilfe ursprünglich versagt, weil die Klage nach Ansicht des Gerichts keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben würde.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt, der vom Ausgangsgericht nicht abgeholfen wurde, sodass das Sächsische Landesarbeitsgericht über die Beschwerde entscheiden musste.
Das Sächsische Landesarbeitsgericht hat dem Beschwerdeführer die Prozesskostenhilfe größtenteils bewilligt. Es begründete diesen Beschluss damit, dass insbesondere Prozesskostenhilfeverfahren mit besonders komplizierten, höchstrichterlich ungeklärten Problemen nicht voreilig als nicht hinreichend erfolgreich im Sinne des § 114 ZPO abgewiesen werden dürfen.
Zitat aus der Urteilsbegründung:
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Eine Rechtsverfolgung i.S. von § 114 ZPO hat dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei einer vorläufigen Prüfung der Parteivortrag als vertretbar bezeichnet werden kann, wobei die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nicht überspannt werden dürfen. Es genügt, wenn der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, keineswegs ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich (vgl. auch LAG Düsseldorf Beschl. v. 29.11.1999 – 15 Ta 553/99).
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Hängt nämlich die Entscheidung von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage ab, so darf jedenfalls in den unteren Instanzen die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht verneint werden, weil andernfalls der unbemittelten im Gegensatz zur bemittelten Partei die Chance genommen würde, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und dort vor die höhere Instanz zu bringen. (Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. § 114 Rnr.25 m.w.N.)
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Anmerkung:
Das vorliegende Urteil beschäftigt sich allenfalls am Rande mit der Problematik der equal pay Klagen.
Vordergründig präzisiert es die Voraussetzungen der im Sinne des § 114 ZPO "hinreichenden Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung". Es stellt klar, dass komplizierte, bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfragen nicht auf dem Wege des Prozesskostenhilfeverfahrens entschieden werden dürfen. Im Prozesskostenhilfeverfahren wird lediglich darüber entschieden, ob jemandem für seine beabsichtigte Rechtsverfolgung Prozesskostenhilfe bewilligt werden soll oder nicht. Dies ist der Fall, wenn der Antragsteller bedürftig ist, die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist. Insbesondere die Frage, wann eine Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO hat, war Gegenstand des vorliegenden Beschlusses.
In einem Prozesskostenhilfeverfahren wird lediglich summarisch geprüft, ob die beabsichtigte Klage Erfolg haben könnte oder nicht. Keinesfalls wird aber über die Erfolgsaussicht der Klage endgültig entschieden. Die Prüfung, ob die beabsichtigte Klage Erfolg haben könnte oder nicht, soll vor allem willkürliche oder querulatorische Klagen ausschließen, sowie solche Klagen die bereits nach dem Vortrag des Klägers in sich widersprüchlich sind oder selbst dann nicht zu dem begehrten Erfolg führen können, wenn das Gericht der Klage stattgeben würde. Der Sinn ist, dass der Staat nicht mit Ausgaben für solche Klagen belastet werden soll, die von vornherein sinnlos, nicht ernst gemeint oder zum Scheitern verurteilt sind.
Berührt die Klage allerdings eine schwierige, höchstrichterlich bislang ungeklärte Rechtsfrage kann das Gericht, das die Prozesskostenhilfe bewilligen soll, die Prozesskostenhilfe nicht ablehnen, weil es sonst gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG und das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG verstoßen würde.
Denn: Ein Kläger, der über ausreichende Finanzen verfügt, kann trotz der Rechtsauffassung des Gerichts der ersten Instanz die Klage einreichen und das Urteil des Gerichts abwarten. Ist das Urteil der ersten Instanz ergangen, kann der solvente Kläger dann den Rechtsstreit in die nächste Instanz führen, bis die Sache schließlich vor einem der Bundesgerichte landet. Dieses entscheidet über das Problem durch ein Urteil und klärt damit das rechtliche Problem höchstrichterlich. Der solvente Kläger hat eine höchstrichterliche Klärung seines rechtlichen Problems erreicht.
Ein Kläger, der bedürftig ist, kann die Klage nur führen, wenn ihm Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Lehnt das Gericht die Prozesskostenhilfe nun mit denselben Argumenten ab, mit denen es auch die gleiche Klage eines solventen Klägers ablehnen würde ergibt sich das folgende Bild: Der solvente Kläger geht einfach in die nächste Instanz, der bedürftige Kläger kann noch nicht einmal in die erste Instanz gehen. Bedürftigen werden so Rechtsschutzmöglichkeiten genommen, die Anderen zur Verfügung stehen. Dies ist eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 GG die nicht gerechtfertigt ist.
Weiterführende Hinweise zu dieser Problematik:
BVerfG Beschl. v. 13.03.1990 in NJW 1991, 413 f.
BGH Beschl. v. 09.09.1997 in MDR 97, 1147 f.
Zöller/ Zillipi, ZPO, 27.Auflage § 114 Rnr. 21