Muss ich Überstunden leisten?
Das Wichtigste vorab: Es gibt keine grundsätzliche Pflicht Überstunden zu leisten.
Der Arbeitsvertrag ist in erster Linie ein Vertrag. Wie bei allen Verträgen gilt auch hier: Verpflichtend ist nur das, was die Vertragspartner vereinbart haben. Haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine feste Arbeitszeit geeinigt, dann schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch nur diese feste Arbeitszeit. Möchte der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer mehr leistet, als er vertraglich leisten müsste, dann kann er den Arbeitnehmer nur höflich darum bitten, Überstunden zu leisten. Der Arbeitnehmer muss dieser Bitte nicht nachkommen, wenn er nicht möchte.
Etwas Anderes gilt nur dann, wenn sich im Arbeitsvertrag eine Klausel befindet, welche dem Arbeitgeber das Recht gibt Überstunden anzuordnen. Eine solche Klausel findet sich meist unter dem Punkt „Arbeitszeit“ im Vertrag und könnte in etwa so aussehen:
„...Der Arbeitnehmer ist verpflichtet Mehr- und Überarbeit zu leisten, soweit dies gesetzlich zulässig ist...“
oder
“… Der Arbeitnehmer verpflichtet sich dazu, im Rahmen der Gesetze und der Tarifverträge, Über- und Mehrarbeit zu leisten...“
Enthält der Arbeitsvertrag eine solche Klausel, dann ist der Arbeitnehmer vertraglich verpflichtet Überstunden zu leisten, wenn der Arbeitgeber Überstunden anordnet. Wenn der Arbeitnehmer sich weigert, dann kann der Arbeitgeber in diesem Fall den Arbeitnehmer abmahnen oder im schlimmsten Fall sogar kündigen.
Nur weil der Arbeitgeber aus dem Arbeitsvertrag Überstunden anordnen kann, heißt dies allerdings noch lange nicht, dass er in seiner Entscheidung wer Überstunden leisten muss, völlig frei wäre. Denn er muss bei der Anordnung von Überstunden nach § 315 BGB schützenswerte Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Ein schützenswertes Interesse ist nach § 315 BGB bspw. die Familie, die Ehe aber auch berufliche Fortbildungen wie ein Fernstudium.
Beispielsfall:
Bei dem Arbeitgeber geht ein sehr großer Auftrag ein, der mit sehr viel Arbeitsaufwand verbunden ist. In einer Abteilung arbeiten drei Arbeitnehmer. Mindestens einer von Ihnen wird Überstunden leisten müssen, um den Auftrag abzuarbeiten. Alle drei Arbeitsverträge der Arbeitnehmer enthalten die folgende Klausel:
… Der Arbeitnehmer verpflichtet sich dazu, im Rahmen der Gesetze und der Tarifverträge, Über- und Mehrarbeit zu leisten…
Arbeitnehmer 1 ist verheiratet und hat zwei Kinder im schulfpflichtigen Alter. Arbeitnehmer 2 bildet sich im Rahmen eines Fernstudiums nach seiner Arbeit fort und bereitet sich gegenwärtig auf die Klausurenphase vor. Arbeitnehmer 3 ist ledig, kinderlos und könnte die Überstunden ohne weitere Einschränkungen leisten.
Wen darf der Arbeitgeber zur Leistung der Überstunden heranziehen?
Lösung: Aus den Arbeitsverträgen könnte er jeden der drei Arbeitnehmer zur Leistung von Überstunden verpflichten, sodass er eigentlich freie Wahl hätte. Nach § 315 BGB muss er bei seiner Entscheidung jedoch schützenswerte Interessen berücksichtigen. In diesem Fall ist seine Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, denn nur der Arbeitnehmer 3 kann kein schützenswertes Interesse vorbringen, dass ihn an der Leistung der Überstunden hindern würde. Arbeitnehmer 1 kann als schützenswertes Interesse vorbringen, dass er eine Familie hat und Arbeitnehmer 2 kann auf sein schützenswertes Interesse an der beruflichen Fortbildung verweisen.
Einleitung Wieviele Überstunden darf ich höchstens arbeiten?